Wie das beim Schreiben so ist, fallen öfters mal ganze Kapitel aus einem
Buch heraus.
Bei #bandstorys: Lonely Lyrics hatte ich Max zu Wort kommen lassen, da Luke
leider nicht mehr in der Lage war, für sich selbst zu sprechen 😉
Ich glaube ihr wisst alle, welche Szene ich meine.
Wer also Lust hast und wissen möchte, was auf der Party passiert ist, darf gerne weiterlesen.
Miss Mysterious @missmysterious
@anna_annafalls und @maxmustbecrazy sind wirklich Spielverderber. Macht euch
mal ein wenig locker. #bandstorys
Max
Die Aufzugtüren gleiten langsam auseinander und sofort dröhnen mir wummernde
Bässe entgegen. Irgendwie würde ich mir wünschen, dass ich gerade mit Anna eine
neue Sky-Bar hoch über den Dächern Wiens betrete, aber leider stehen wir im
Flur vor der Penthouse-Wohnung ihrer Eltern. Dank einem Posting von Miss
Mysterious wissen wir, dass Luke heute eine Party feiert. Unsere Einladung
dürfte wohl irgendwo im Datennirvana verloren gegangen sein.
Anna greift nach meiner Hand und sieht mich erschrocken an. Bereits hier
draußen tummeln sich die ersten Partygäste. Wahrscheinlich hat sie genauso viel
Angst davor durch die sperrangelweit offen stehende Tür zu treten, wie ich.
Aber was hat mein Regenmädchen erwartet, nachdem Luke völlig genervt von Marie
die Villa verlassen hat? Als wir ihn vor dem Haus getroffen haben, hat er nur
unbestimmt gemurrt und ist an uns vorbeigelaufen. Kurzzeitig hatte ich die
Hoffnung, dass er sich in der Apotheke Baldrian-Tropfen holt oder sich im Loft
einen Beruhigungstee kocht.
Aber nein! Natürlich schmeißt er eine riesige Party, um sich auf andere Gedanken
zu bringen. Ohne mein Zutun kommt ein Seufzer über meine Lippen. Wieso reitet
er sich nur immer weiter in die Scheiße. Langsam tut Luke mir richtig leid. Ich
würde es nie laut aussprechen, aber er ist mir innerhalb des letzten Jahres
richtig ans Herz gewachsen.
Ich ziehe an Annas Hand und führe sie in Richtung Eingang. Noch nicht einmal
richtig im Eingangsbereich angekommen, müssen wir uns bereits an Betrunkenen
vorbei drängen.
„Wir sollten herausfinden, woher die Musik kommt“, schlägt Anna vor. Obwohl sie
in mein Ohr schreit, muss ich mich ziemlich anstrengen, um ihre Worte zu
verstehen. Es ist mir ein Rätsel, wie sich die Leute um uns herum noch
unterhalten können.
„Ich denke, die Musik kommt aus dem Wohnzimmer“, schreie ich zurück und deute
mit meinem Kinn in die ungefähre Richtung. Ich bin nicht gerade klein, aber bei
dieser Menschenmenge verliere sogar ich leicht den Überblick oder wohl eher die
Orientierung. Groß genug wäre das Penthouse ja. Wir quetschen uns an
Betrunkenen und tanzenden Mädchen und Jungs vorbei. Hin und wieder werfen uns
die Anwesenden interessierte Blicke zu, doch bis jetzt hat uns noch niemand
angesprochen.
Als wir im Wohnzimmer ankommen, wechselt die Musik und aus den Boxen schallt
ein für mich ziemlich gewöhnungsbedürftiger Kryptonite-Remix von 3
doors down. Anna und ich stehen wie angewurzelt im Raum, während sich das
Partyvolk ekstatisch zu den harten Beats bewegt. Und verdammt … hat Luke hier
drinnen wirklich Nebelmaschinen aufgestellt? Langsam habe ich das Gefühl mich
in einem schlechten Film zu befinden.
Buntes Stroboskop-Licht flackert auf und verleiht dieser ganzen Szenerie etwas
Unwirkliches. Ich sehe mich fassungslos im Raum um. Die Wände sind kahl. Was
für Leute hat Luke hier bitte eingeladen? Menschen die anderen Menschen sogar
die Bilder von den Wänden stehlen? Anna folgt meinem Blick und massiert ihre
Nasenwurzel, als sie begreift, dass hier eine House–Destruction-Party
im Gang ist. Ich greife nach ihrer Hand und ziehe sie weiter in die Richtung,
aus der die Musik kommt.
„Pass auf“, warne ich sie, als ich bemerke, dass wir über Scherben laufen.
Einige Meter weiter bleiben wir stehen, um uns nochmals umzusehen, was genau
alles zu Bruch gegangen sein könnte. Danach ziehe ich Anna kurz in meine Arme.
Ich lehne meine Stirn an ihre und sehe ihr in die Augen. Sie unterbricht den
innigen Moment und lehnt sich zu meinem Ohr. „Das waren bestimmt die wertvollen
Vasen meiner Mutter.“
Sie schnaubt und um ihre Mundwinkel zuckt es belustigt. Warum habe ich bloß das
Gefühl, dass ihr dieser Verlust nicht besonders zusetzt?
„Du klingst nicht besonders traurig“, stelle ich fest. Sie schüttelt den Kopf.
„Trotzdem hat Luke die erste Partyregel missachtet.“
Stirnrunzelnd sieht sie mir ins Gesicht. „Und die wäre?“
„Sei niemals der Gastgeber.“ Anna wirft ihren Kopf in den Nacken und beginnt
lauthals loszulachen. Immer noch leise kichernd lehnt sie sich für ein paar
Sekunden an meine Brust. Warum klopft mein Herz immer noch jedes Mal lauter,
wenn sie das tut? Mit einem Lächeln im Gesicht betrachte ich mein Regenmädchen.
Sie ist perfekt für mich.
Früher war ich genauso wie Luke, doch Anna hat das Beste in mir zum Vorschein
gebracht. Vielleicht bräuchte Luke ebenfalls einen Menschen, für den es sich
lohnt, sich zu ändern.
Annas Hände wandern über meinen Körper immer weiter nach oben, bis sie auf
meinen Schultern zu liegen kommen. Und schon habe ich vergessen, worüber ich
gerade nachgedacht habe. Ich lege meine Hände an ihre Hüften. „Heb mich ein
Stückchen hoch“, raunt sie mir zu. Bestimmt versucht sie herauszufinden, woher
genau die ohrenbetäubende Musik kommt. Dass sie schon wieder die Hebefigur aus Dirty
Dancing mit mir ausprobieren will, finde ich im Moment eher
unwahrscheinlich. Bereits der erste Versuch war für uns ziemlich schmerzhaft.
Mein Blick folgt ihrem ausgestreckten Arm. Sie zeigt in die Ecke des
Wohnzimmers. „Dort vorne steht ein DJ. Lass uns die Musik abstellen und die
Party auflösen.“ Wäre das hier nicht die Wohnung von Annas Eltern, hätten wir
bestimmt ein Weilchen mitgefeiert. Zumindest so lange, bis wir Luke gefunden
hätten. Aber leider ist die Situation eine andere und wir müssen hier die
Spielverderber sein.
Wir drängen uns bis zu dem Typen mit den blonden Haaren, die er mit einem
Gummiband zusammengebunden hat, durch. Es sieht so aus, als würde der DJ auf
seine Musik ziemlich abfahren. Das, oder er ist ein begnadeter Ausdruckstänzer.
Anna versucht gar nicht erst den Typen auf sich aufmerksam zu machen, sondern
greift das Mikrofon, das neben den Turntables liegt. Ha. Und ich habe in der
Zwischenzeit den Lautstärkeregler gefunden und drehe auf Minimum. Alle Köpfe
rucken zu uns herum.
Anna räuspert sich und lauter Applaus brandet auf. „Anna, Anna, Anna“, beginnen
einige Leute einen Sprechgesang anzustimmen. Ein paar weibliche Fangirls kreischen
auch meinen Namen. Natürlich freut es mich, dass unsere Bands in der
Zwischenzeit so bekannt sind und man uns erkennt, aber jetzt gerade nervt es.
„Sorry, Leute“, beginnt Anna ihre kleine Ansprache. „Aber die Party ist hiermit
beendet.“
Die Menschenmenge beginnt zu murren und einzelne „Buh“-Rufe dringen zu uns vor.
Ich nehme Anna das Mikro ab. „Ihr habt meine Freundin gehört.“ Mit der Hand
zeige ich in Richtung Ausgang. „Kommt gut nach Hause. Don’t drink and drive.
Alles Gute.“ Meine Stimme klingt ruppiger als notwendig, doch die Message
scheint anzukommen. Nach und nach verlassen immer mehr Menschen den
Wohnbereich.
Ich lege meinen Arm um Anna und sie schmiegt sich fest hinein. „Komm, lass uns
den Unruhe-Stifter suchen und mit ihm reden.“ Anna ist wirklich zu nett für
diese Welt. Jeder andere hätte Luke den Arsch aufgerissen, für die Frechheit
einfach ohne Erlaubnis eine Party zu schmeißen. Vor allem, da ihm die Bude hier
nicht einmal gehört.
Gemeinsam laufen wir über den verschmutzen Boden in Richtung Küche. Hin und
wieder kreuzen noch einige Betrunkene unseren Weg, doch sie verschwinden
sofort, wenn wir mit unseren Fingern in Richtung Ausgang zeigen.
Sofort als ich durch den Türrahmen in den Küchenbereich trete, sehe ich Luke
völlig in sich zusammen gesunken an einer Wand lehnen. Anna läuft auf ihn zu
und lässt sich vor ihm auf die Knie sinken. Sie nimmt sein Gesicht in ihre
Hände. Eigentlich sollte ich auf die Nähe, die zwischen den beiden herrscht,
eifersüchtig sein. Aber es gibt keine Anna ohne ihren besten Freund. Und keinen
Luke ohne seine beste Freundin. Ich habe mich an diese innige Freundschaft
gewöhnt und bin jetzt auch irgendwie ein Teil davon.
„Scheiße. Max.“ Annas Stimme klingt panisch. „Er reagiert nicht.“ Als sie Lukes
Kopf loslässt, fällt er einfach nach unten, bis das Kinn auf seinem Brustbeim
zu liegen kommt.
„Verdammt“, fluche ich und lasse mich ebenfalls auf meine Knie sinken. Ich
schnappe mir seine Hand und fühle seinen Puls. Es dauert kurz, doch irgendwann
habe ich Gewissheit. „Der Puls ist schwach, aber er ist noch da.“ Ich hoffe,
sie weiß, was ich ihr sagen will.
„Was ist mit ihm los?“, will Anna wissen. Wenn ich das nur wüsste. Zuerst zucke
ich hilflos mit den Schultern, doch dann beiße ich meine Zähne fest zusammen.
Das was ich jetzt tue, wird meinem Regenmädchen nicht gefallen. Mit der linken
Hand hebe ich Lukes Gesicht an und stabilisiere ihn. Mit der rechten gebe ich
ihm eine Ohrfeige.
„Du kannst ihn doch nicht schlagen“, faucht Anna. „Siehst du nicht, dass er
völlig hinüber ist.“ Sie greift nach seiner Hand und streichelt sanft darüber.
„Anna, er reagiert nicht. Irgendetwas müssen wir tun“, rede ich ihr gut zu.
Meine Worte scheinen etwas bei Anna zu bewirken. Sie legt ihre Hände auf seine
Schultern und versucht ihn durch mehrmaliges Schütteln zu wecken. „Luke, wach
auf. Hörst du mich? Luke.“ Sie klingt ehrlich verzweifelt. Ungefähr so, wie ich
mich fühle.
„Scheiße, scheiße, scheiße“, fluche ich. Ich atme einmal tief ein und dann
wieder aus. Meine Hand stecke ich in meine Hosentasche und suche nach meinem
Smartphone. „Ich rufe jetzt einen Krankenwagen.“
Während ich die Nummer eintippe, sehe ich kurz zu Anna. In ihren Augen
schimmern ungeweinte Tränen. „Wir bekommen das schon alleine hin“, sagt sie
schniefend. Die erste Träne rollt über ihre Wange.
„Anna, wir bekommen hier gar nichts hin. Du weißt nicht, was mit ihm los ist.
Im besten Fall hat er einfach zu viel getrunken und sie pumpen ihm den Magen
aus. Aber hast du die Gestalten gesehen, die hier herumgelaufen sind?“ Sie
schüttelt fassungslos den Kopf, aber langsam scheint sie zu begreifen, was ich
ihr sagen will. „Im schlechtesten Fall hat er irgendetwas eingeworfen. Und wir
haben keine Ahnung, was.“
Anna kämpft ihre Tränen zurück und legt ihren Arm um Lukes Schulter, um ihn irgendwie
aufrecht zu halten. „Okay. Ruf an. Wir packen das. Alles wird gut.“
Das hoffe ich auch. Keine Ahnung ob Anna oder ich den Verlust eines weiteren
geliebten Menschen überstehen würden.